Text: Gabi Czöppan

Venedig dreht auf

Noch nie zuvor war die Biennale so weiblich, opulent und sinnenfreudig. Die großen Themen der Kunst sind der Surrealismus, der Körper und Cyborgs. Im Zentrum: starke schwarze Künstlerinnen und männliche Kunststars

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Endlich wieder Biennale in Venedig. Nach der coronabedingten Verschiebung um ein Jahr ist die Weltkunstausstellung so sinnenfreudig, groß und bunt wie nie zuvor, auch die ehrwürdigen Palazzi sind mit Megaschauen von großen Stars besetzt. So viel moderne Kunst zur selben Zeit war hier noch nie zu sehen. Die Biennale-Leiterin Cecilia Alemani, die erste Italienerin an der Spitze der Biennale, zeigt vor allem Kunst von Frauen, in der Stadt trumpfen dafür Männer auf. Anselm Kiefer hat mit einer bühnenreifen Installation den Dogenpalast besetzt. In dem fast 800 Quadratmeter großen Sala dello Scrutinio hat er vor die altmeisterlichen Gemälde einfach seine gigantischen Bilder gehängt. Der Raumeindruck ist überwältigend.

Neuseeland – Yuki Kihari fotografiert auf Samoa im Stil von Gauguin Angehörige des dritten Geschlechts

Großbritannien –  Sonia Boyce, schwarze Aktivistin, holte den Goldenen Löwen für den besten Pavillon

Ähnlich raumfüllend präsentiert der indisch-britische Künstler Anish Kapoor in der Accademia, der wichtigsten Gemäldegalerie Venedigs, und im Palazzo Manfrin im venezianischen Ghetto-Viertel seine Farbmassaker aus blutrotem Wachs, seine Spiegel und optisch täuschenden Bilder. 

Österreich – Jakob Lena Knebl & Ashley Hans Scheirl treten als poppiges queeres Paar auf

Griechenland – Loukia Alavanou zeigt das Ödipus-Drama als Virtual-Reality-Trip

Auf der Biennale, in den Arsenale-Hallen der aufgelassenen Schiffswerft und in den grünen „Giardini“ mit ihren historischen Nationalpavillons springt dagegen Kunst ins Auge, die sehr weiblich, sehr divers und sehr überzeugend ist. Zentrale Themen sind der Surrealismus, die Transformationen des Körpers und die Faszination für Cyborgs.. Goldene Löwen erhielt zwei starke schwarze Frauen: Die US-amerikanische Bildhauerin Simone Leigh für ihre riesigen Figuren schwarzer Frauen, deren Röcke an traditionelle afrikanische Hütten erinnern, sowie die Britin Sonia Boyce, eine bekannte Professorin für Black Art und Design. Sie filmte sechs schwarze Sängerinnen beim Improvisieren in den berühmten Londoner Abbey Road Studios. Den Auftritt Ghanas kuratierte gar eine Prinzessin, besser gesagt eine Enkelin des ghanaischen Königs, die in Deutschland geborene Autorin und Filmemacherin Nana Oforiatta Ayim. Sie zeigt unter dem Motto „Black Star: The Museum as Freedom“, Ghanas Nationalsymbol, drei junge Künstler. Ebenso ist der Oman, das erste Mal auf der Biennale, mit drei jungen Künstlern vertreten.

Deutschland – Maria Eichhorn zeigt, wie die Nationalsozialisten 1938 den Pavillon umbauten

Die Niederländerin Melanie Bonajo, die auch als Sexpädagogin arbeitet, lädt zum Gruppenkuscheln in eine ehemalige Kirche. Die Österreicher verführen mit quietschbuntem Pop vom queeren Paar Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl, für Neuseeland zeigt Transgender-Künstlerin Yuki Kihara Porträts von Transgender-Personen aus Samoa. Die Deutsche Maria Eichhorn gräbt die NS-Geschichte des deutschen Pavillons aus, die Griechin Loukia Alavanou verfilmte das Ödipus-Drama mit Virtual-Reality-Technik neu, die Polin Małgorzata Mirga-Tas nähte ein Renaissance-Fresco aus Stoff nach. Den ausgefallendsten Ort Venedigs suchte sich die Französin Pauline Curnier Jardin für ihre Kunst aus: Sie stellte, allerdings nur kurz, in einem Frauengefängnis aus. 

Ghana – die Bilder von Nana Opoku (o.) wählte Nana Oforiatta Ayim, die in Deutschland aufwuchs, aus

Anselm Kiefer macht im Dogenpalast mit riesigen Bildern Tintoretto und Tizian Konkurrenz

Niederlande – Kuscheln ist  erwünscht bei Künstlerin und Sexpädagogin Melanie Bonajo

Oman – Textilkünstlerin Radhika Khimji vertritt ihr Land ist zum ersten Mal auf der Biennale

Polen – Małgorzata Mirga-Tas erinnert in genähten Bildern an ihre Roma-Herkunft

USA – Simone Leigh, die erste Afroamerikanerin, die ihr Land vertritt, erhielt den Goldenen Löwen

Pauline Curnier Jardin ließ sich für ihre Kunst-Performance in ein Frauengefängnis sperren

↘ Venedig INSIDER

1 Biennale Art 2022 59. Internationale Kunstausstellung. Wer nicht anstehen will, kann vorab online ein Ticket kaufen.
Geöffnet bis 27. Nov. tgl. 11 bis 19 h, ab 27. Sept. bis 18h → labiennale.org

2 Hotel Ca‘ di Dio Neues Luxushotel in einer ehemaligen Kirche, ausgestattet von Designerin Paola Navoni. Direkt an der Vaporetto-Station Arsenale → vretreats.com/ca-di-dio

3 Antica Locanda Montin Legendäres Gartenrestaurant mit traditioneller Küche. Angenehm schattig nahe der Accademia. Tipp: Baccalà, venezianischer Stockfisch! Fondamenta de Borgo, 1147. → locandamontin.com

Fotos: Andrea Avezzù – Courtesy La Biennale di Venezia (1), Peter Tijhuis (1), Nana Opoku (1), Fifi Abban (1), Loukia Alavanou (1), Yuki Kihara (1), David Levene (1), Balthazar Haberkorn (1), British Council (1), Pauline Curnier Jardin (1), Shaniqwa Jarvis (1), Timothy Schenck. © Simone Leigh(1), Georges Poncet (1), Georg Petermichl (1), Christian Benesch (1), Maria Eichhorn (1), Daniel Rumiancew (1)

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