Frau Riekel, wie kommt man an Macht?
Präzise arbeiten, Entscheidungen treffen, nicht zögern. Man muss sich bemerkbar machen, besonders im Journalismus. Auffallen, Aufgaben freiwillig übernehmen und seine Meinung kundtun. Man kann Meinung haben, ohne unangenehm zu werden. Und man sollte doppelt so viel arbeiten wie andere, besonders als Frau.
Warum?
Männer vertrauen Männern, da muss man als Frau mit besonderer Eigenständigkeit auffallen. Ich beobachte heute, dass sich das ändert. Zu meiner Zeit wurden selbst Zeitschriften für Frauen von Männern gemacht. Deshalb hat meine Position als Chefredakteurin für Aufsehen gesorgt, viele haben auf mein Scheitern gewartet.
Denken Sie, dass Männer anders mit Macht umgehen als Frauen?
Ja, für Männer ist es normal, Macht auszuüben, für Frauen ist das schwieriger. Macht bedeutet, dass man die Möglichkeit hat, auf das Leben anderer einzuwirken, positiv wie negativ. Selbst wenn Frauen in Machtpositionen sind, betonen sie das nicht so sehr. Ich bin auch nicht unbedingt der Typ „harter Hund“.
Sie haben in Ihrer Karriere die mächtigsten Menschen der Welt getroffen – von Angela Merkel über Bill Clinton bis zum Papst. Was eint diese Personen?
Diese Menschen haben durch Anstrengung Bekanntheit erlangt, nicht bloß wegen des Ruhms. Mich beeindruckt, wenn ein Mensch sich nur durch sein Engagement ausdrückt und nicht viel Tamtam um seine Person macht. Wenn das, was er tut, wichtiger ist als seine Inszenierung.
Hatten Sie zwischen all diesen mächtigen Menschen nie das Gefühl, fehl am Platz zu sein?
Ich habe mich öfter gefragt: Wer bin ich, dass ich diese Menschen befragen kann? Was kann ich Ihnen entgegensetzen? Ich denke, auch das ist ein Unterschied zwischen Männern und Frauen – Frauen sind skeptischer, hinterfragen sich selbst öfter. Männer haben da viel weniger Hemmungen, egal ob sie etwas wirklich gut können oder nicht. Ich zum Beispiel habe auch beim Schreiben meines Buchs bemerkt, dass mich das manchmal behindert.
In Ihrem Buch „Wer bin ich, wenn ich nichts mehr bin?“ (Heyne Verlag)schreiben Sie über Ihr Leben im Ruhestand und wie schwer es war, von der ersten Reihe Abschied zu nehmen. Trauern Sie der Macht nach, die Sie beruflich hatten?
Ich habe nicht dem diffusen Gefühl der Macht hinterher getrauert. Mir hat die tägliche Diskussion über das Weltgeschehen mit Kollegen gefehlt. Nicht mehr gehört und gesehen zu werden, fiel mir am Anfang schwer. Ich stand vor der Frage: Was fange ich mit der vielen Zeit an? Mir ging es weniger darum, etwas Wichtiges zu tun, als der Welt zu beweisen: Hallo, ich bin noch da, mit mir kann man noch rechnen. Das musste ich erstmal überwinden.
Wie haben Sie das geschafft?
Ich habe mich auf das besinnt, was ich schon immer machen wollte: Geschichten erzählen, unabhängig vom Zeitungmachen. Ich muss kein Geld mehr verdienen oder berühmt werden, das ist der Vorteil an meiner Situation. Ich bin frei und autark, muss mich nicht rechtfertigen oder mit Menschen arrangieren, auf die ich keine Lust habe. Trotzdem will ich mir die Neugier bewahren. Dieses „Ach, das kenn ich schon“ oder „Das haben wir schon immer so gemacht“ ist falsch. Ich mache das, was ich als Journalistin gelernt habe: Hingucken, nachfragen, in Schwung bleiben.
Sind Sie deshalb in die Politik gegangen?
Ich wollte nach dem Ende meiner Berufstätigkeit noch irgendwo mitentscheiden und Probleme lösen. Probleme sind auf allen Ebenen Probleme. Spitzenpolitiker finden es vielleicht lächerlich, dass wir im Bezirksausschuss 13 in Bogenhausen über die Höhe von Büschen diskutieren. Ich halte das aber für nicht weniger wichtig. Ob ich die ganze Welt retten muss oder Bogenhausen vor gierigen Investoren, ist im Kern irgendwie gleich. Außerdem ist es ein gutes Gefühl, wenn Menschen einem etwas zutrauen. Mir kommt sicher zugute, dass die Leute mich früher auch gerne gelesen haben. Und im Boulevard wie in der Politik geht es am Ende um Menschen und deren Geschichten.
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