Yoga-Therapie in der Praxis

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Basiswissen aus Medizin und Psychologie · Asanas und Pranayamas therapeutisch eingesetzt · Individuelle Übungsbeispiele

Die Heilwirkung des Yoga erklärt von der renommierten Yoga-Lehrerin Bitta Boerger

In der Yoga-Therapie finden Körper- und Atemübungen aus dem klassischen Yoga bei verschiedensten Beschwerden von Körper und Psyche Anwendung. Der Frage, wie Heilung durch Yoga geschehen kann, ist das Handbuch „Yoga-Therapie in der Praxis“ gewidmet. Die Autorin Bitta Boerger arbeitet seit vielen Jahren als Yogalehrerin auch im therapeutischen Bereich. In Zusammenarbeit mit Dr. med. Judith Schäfer als orthopädisch arbeitender Ärztin und dem Dozenten für Psychologie Daniel Helbig thematisiert sie im Buch eine Vielzahl von körperlichen und seelischen Erkrankungen und deren Behandlung mit Yoga. Das Buch bietet sowohl für Yoga-Lehrer*innen als auch -Praktizierende wichtige Grundlagen, um mit sich und mit anderen Menschen individuell zu arbeiten, wenn körperliche oder psychische Beschwerden vorliegen.

Dafür bündeln die Autor*innen die Essenz der Erkenntnisse aus Yoga, Ayurveda, angewandter Psychologie und den Grundlagen der westlichen Medizin zu einem umfassenden Handbuch. Inhaltlich gegliedert in die Kapitel „Yoga für den Bewegungsapparat“, „Yoga für die innere Medizin“ und „Yoga für die Psyche“ werden die grundlegenden körperlichen Strukturen und Beschwerdebilder erläutert, um daraus anschließend eine wirksame und sinnvolle Praxis abzuleiten. Akuter Rückenschmerz und haltungsbedingte Beschwerden werden ebenso beleuchtet wie Bluthochdruck und Atemwegserkrankungen, Ängste oder Traumata. Das Buch bietet ca. 160 Farbfotos und 40 Detailzeichnungen zum Verständnis und zur Umsetzung der Übungen.

Hier ein spannendes Interview mit Bitta Boerger.

Wie haben Sie zum Yoga gefunden und was motiviert Sie, es zu praktizieren und zu unterrichten?

In meiner Jugend habe ich sehr intensiv getanzt und konnte mich so zu Beginn meines Yogaweges leicht in den körperlichen Aspekt der Praxis einfinden. Meine erste Lehrerin unterrichtete ruhiges Hatha Yoga mit sehr genauen Angaben hinsichtlich Alignment. Später kam ich zu Jivamukti und Ashtanga Vinyasa Yoga, da wurden die koordinativen Herausforderungen größer und das kraftvolle Üben im Fluss machte mir einfach großen Spaß. In Maty Ezraty fand ich eine Lehrerin, die beide Aspekte miteinander verbinden konnte. Sie lehrte Genauigkeit im Flow, Kraft und Ruhe gleicher-maßen und ihre allgegenwärtige Weisheit gab mir die Möglichkeit, auf der persönlichen Ebene weiter zu wachsen. Yogatherapie mit Günther Niessen und Ganesh Mohan haben bei mir ergänzt, was noch wie ein Puzzlestück gefehlt hatte, um die Praxis individuell und zielgerichtet gestalten zu können. Nach ca. 10 Jahren des intensiven Praktizierens begann ich zu unterrichten, einfach aus dem Bedürfnis heraus, das, was ich im Yoga erfahren hatte oder erleben durfte, mit anderen zu teilen. Die Freude, die Energie und das Sich-Lebendig-Fühlen wollte ich weitergeben. Parallel zu den verschiedenen Ausbildungen im Bereich Yoga, Yogatherapie oder Trauma entwickelte und veränderte sich die Art und Weise meines Unterrichts. Doch auch heute unterrichte ich neben der individuellen Einzelarbeit immer noch gerne intensiv, dynamisch und im Fluss.

Was ist wichtig, wenn Yoga-Lehrer*innen Yoga als Therapie verwenden?

Am wichtigsten ist vielleicht, sich selbst nicht als Retter oder Heiler zu begreifen, sondern die innere Haltung darauf auszurichten, dass wir im besten Fall Menschen begleiten und Unterstützung bieten können. Unterstützung z.B. in Form von Austausch, konkreten Übungen oder Inspiration zur Selbstreflektion. Jeder hat seine individuelle Lebenswirklichkeit, es wäre vermessen sich in die Position des „Besser“ Wissenden zu begeben. Außerdem sollte das eigene Wissen und die Erfahrung immer wieder reflektiert werden: wo sind mögliche Grenzen meines Tuns? Denn erst wenn ein ausreichend fundierter Ausbildungshintergrund vorhanden ist, kann ein sinnvolles Angebot für ein Beschwerdebild entwickelt werden. Sowohl die Beschäftigung mit Yoga in seiner Gänze, den Grundlagen der Medizin und der Psychologie sowie das Hinzuziehen anderer Disziplinen als auch die eigenen Erfahrungswerte sind die Basis, um in Verbindung und Austausch mit Menschen zu gehen und sie zielgerichtet begleiten zu können.


Welche körperlichen und geistigen Heilwirkungen können durch regelmäßige Yoga- Praxis erzielt werden?

Yoga setzt auf so vielen verschiedenen Ebenen an. Es ist ein ganzheitliches System, welches den Körper kräftigt und reinigt, den Geist zur Ruhe bringt und sowohl auf mentaler bzw. psychischer Ebene stabilisierend wirken kann als auch die Dinge ins Verhältnis zueinander setzt. Die Erkennt-nisse, welche sich über die Yogapraxis zeigen, wirken oft transformierend auf das Leben ein. Yoga hat eine ordnende Kraft.

Spielen in der Yoga-Therapie die spirituellen Aspekte des Yogas ebenfalls eine Rolle?

Die Basis der Arbeit ist die Spiritualität. Die eigene Anbindung an dieses Wissen bzw. diese Dimension macht es möglich, in die Verbindung mit dem Gegenüber und seiner individuellen Wahrheit zu gehen. Ob dann Asanapraxis oder ein philosophischer Diskurs die yogatherapeutische Sitzung gestaltet, ergibt sich oft erst im Moment – beides ist möglich und wirksam.

In Ihrem Buch “Yoga-Therapie in der Praxis” beschäftigen Sie sich intensiv mit der Heilwirkung des Yoga. Wie hilft es, Yoga individuell auf Beschwerden und Probleme von Körper, Geist und Seele abzustimmen?

Zu Beginn der gemeinsamen Arbeit wird das Krankheitsbild oder die Beschwerden erfasst, dafür sollten z.B. anatomische Strukturen, die Beschaffenheit der Gewebe oder die Grundlagen der menschlichen Psyche bekannt sein. Dann können sich Dysbalancen erschließen oder bereits vorhandene Diagnosen bestätigt werden und eine sinnvolle yogatherapeutische Intervention erarbeitet werden. In unserem Buch zeigen wir die wichtigsten Strukturen und es werden die Beschwerdebilder so erklärt, dass sich daraus eine wirksame und sinnvolle Praxis ableiten lässt. Diese Beispiele befähigen die Leser dazu, eigenständig Rückschlüsse zu ziehen und individuelle
Anpassungen vorzunehmen. Es ist uns wichtig, dass die Zusammenhänge verstanden werden und aus diesem Verständnis heraus individuelle Konzepte entwickelt werden können. Meiner Meinung nach gibt es nicht die eine richtige Asana, Technik oder Sequenz bei Beschwerde XY. Vielmehr geht es darum, das Gesamtbild zu sehen, „the big picture“, um aus dem großen Angebot, das Yoga zur Verfügung hat, bewusst auswählen zu können. Die Unterstützung zur Heilung kann in verschiedenster Form stattfinden. Manchmal hilft es den Körper zu mobilisieren und feste Gewebestrukturen zu dehnen, damit andere Strukturen weniger Belastung erfahren. Oftmals müssen Muskelsysteme gekräftigt oder ausbalanciert werden. Häufig hilft es, die eigene
Lebensrealität zu reflektieren, Stressoren zu erkennen und Ressourcen zu erforschen.
Die Heilwirkung des Yoga kann sich direkt im Anschluss an eine yogatherapeutische Einheit zeigen oder durch kleine Veränderungen im Alltag bemerkbar machen, z.B. in Bezug auf das eigene Stressempfinden. Als konkretes Beispiel: um die funktionelle Ebene zu adressieren werden sich für eine Person mit Bandscheibenvorfall kräftigende Übungen im Wechsel mit gezielter Dehnung anbieten. Aber ebenso werden Haltungsarbeit im Stehen und im Sitzen, Bewegungsverhalten im Alltag und auch gezielte Entspannung sehr wahrscheinlich einen Teil der Praxis ausmachen. Bei
schwereren Diagnosen der inneren Medizin gilt es neben Bewegung und Entspannung die sehr persönliche Auseinandersetzung mit Ängsten und anderen intensiven Gefühlen zu begleiten.


Sie unterscheiden zwischen Yoga-Therapie für den Bewegungsapparat, für die innere
Medizin und für die Psyche. Was muss man bei der Betrachtung der Bereiche
beachten und was unterscheidet sie in der Behandlung?

Der Bewegungsapparat ist leicht zugänglich und mit Yoga Asana wirken wir direkt auf
ihn ein, die Resultate der Praxis zeigen sich meist unmittelbar. Je tiefer ein Krankheitsbild den Menschen berührt, desto subtiler sind u.U. auch deren Auswirkungen. Bei Beschwerdebildern der Psyche sind die Symptome und die damit einhergehenden Empfindungen oftmals nicht so eindeutig – die Affekte des Körpers, des Nervensystems und daraus resultierend möglichen Einschränkungen für die betroffene Person sind nicht so leicht zu fassen. Wie kann ein Mensch gesehen und berührt werden und durch die Yogatherapie wirkliche Unterstützung erfahren? So komplex die Bedürfnisse sind, so komplex können die möglichen Antworten sein, es gibt kein richtig oder falsch.


Aus welchen Bereichen des Yoga setzen sich die Übungen im Buch zusammen?

Zu manchen Beschwerdebildern gibt es konkrete Alignment-Angaben, die detailliert die Ausricht-ung einer Haltung angeben, angelehnt an die Erkenntnisse von B.K.S. Iyengar. An anderer Stelle sind es eher physiotherapeutische Übungen oder solche, die die Herz-Kreislauf-Funktion ansprechen bzw. energieausgleichend wirken. Der achtgliedrige Pfad des Yoga nach Patanjali kann sinnvoll in die Yogatherapie miteinbezogen werden. Eigentlich gibt es keine Grenzen: Thaimassage oder andere Möglichkeiten der Berührung, Mantra Rezitation, Gesang und Meditation oder Bhakti
Yoga – unzählige wirkungsvolle Tools stehen uns im großen Yoga-Kosmos zur Verfügung.


Zum Weiterlesen:
Bitta Boerger, Dr. med. Judith Schäfer, Daniel Helbig; Yoga-Therapie in der Praxis
Basiswissen aus Medizin und Psychologie · Asanas und Pranayamas therapeutisch
eingesetzt. Verlag O.W. Barth 42,00 € ISBN 978-3-426-29329-4

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