Die neue Leuchtenserie von Hassene Jeljeli wurde im Rahmen des Salone Satellite beim diesjährigen Salone del Mobile in Mailand präsentiert – und fügte sich dort nahtlos in die Riege jener Entwürfe ein, die Materialität, Symbolik und Funktion zu etwas radikal Eigenständigem verbinden. Unter dem Titel Mystic Lamps entwirft der Architekt und Designer aus Tunis eine fragile Balance zwischen roher Schwere und schwebender Leichtigkeit, zwischen dem Sichtbaren und dem, was sich nur durch Licht offenbart. Die Kollektion, bestehend aus fünf skulpturalen Objekten, ist nicht bloß eine Serie von Leuchten, sondern eine plastische Reflexion über Kreisläufe, Geometrie und die Metamorphose des Alltäglichen. Im Zentrum steht eine reduzierte, fast rituelle Formensprache, die aus dem Kreis hervorgeht, ihn zur Kugel transformiert, fragmentiert, dekonstruiert – nicht um zu zerstören, sondern um neu zu lesen.


So entsteht als verbindendes Element eine abstrahierte Hutform, die allen Modellen eine gemeinsame architektonische Identität verleiht. Diese wiederkehrende Geste verleiht der Kollektion eine fast meditative Kohärenz, ein Spiel aus Wiederholung und Variation. Verarbeitet werden dabei zwei gegensätzliche Materialien: perforiertes Blech, industriell, strukturiert und leicht, trifft auf transluzenten Marmor, der als Überbleibsel aus tunesischen Steinmetzwerkstätten eine neue Funktion erhält. Es ist dieser Kontrast, der den Leuchten eine unerwartete Spannung verleiht – der Marmor bricht das Licht, das Metall öffnet es, die Schwere des Steins wird durch seine Durchlässigkeit aufgehoben. Entstanden ist eine Serie, in der Licht nicht nur Mittel zum Zweck ist, sondern aktives Gestaltungselement, das mit der Umgebung in Beziehung tritt. Drei Stehleuchten in progressiv ansteigenden Höhen erzählen von vertikalem Streben, von Balance und Aufrichtung – als würden sie dem Licht entgegenwachsen, wie Körper, die sich bewusst aufrichten. Die Tischleuchte, ausgestattet mit dem gleichen formalen „Hut“, lässt sich ebenso als Hängeleuchte nutzen und changiert so zwischen Skulptur und schwebender Lichtquelle. Ergänzt wird die Kollektion durch eine Wandleuchte, deren sphärisches Fragment wie ein geologisches Artefakt wirkt, das zwischen Schatten und Strahlung oszilliert.


Jeljeli, bekannt für seine Arbeit mit monolithischen Formen und recycelten Materialien, denkt Design nicht als dekorative Geste, sondern als transformative Kraft. Indem er industrielle Reststoffe in eine neue narrative Ordnung überführt, formuliert er eine stille Kritik an der Wegwerfästhetik und betont zugleich die emotionale Tiefe von Material und Handwerk. Seine Leuchten wirken wie Extrakte aus einer anderen Zeit, inspiriert von Erinnerungen an traditionelle mediterrane Architektur, aber in einer modernen, beinahe futuristischen Sprache übersetzt. Der Salone Satellite, der als Plattform für junge Designer unter dem Dach des Salone del Mobile neue Perspektiven sichtbar macht, bot für diese Arbeit den idealen Rahmen. Dort, wo sich Visionen jenseits des Mainstreams materialisieren, konnte Mystic Lamps als leuchtender Gegenentwurf zu marktorientierter Serienproduktion wahrgenommen werden – reduziert, aufgeladen, kontemplativ. Statt sich der Ästhetik des Spektakulären zu bedienen, kultiviert Jeljeli eine Formsprache, die nach innen wirkt, die Räume öffnet für Interpretation und Stille. Die Verbindung aus technischer Präzision und handwerklicher Intuition, aus wiederverwerteten Ressourcen und klarer Formulierung, erzeugt eine Atmosphäre, die weniger Produktdesign als Lichtarchitektur ist. Und genau darin liegt die Relevanz dieser Arbeit – im entschleunigten Blick auf das Wesentliche, im Vertrauen darauf, dass Einfachheit und Tiefe keine Gegensätze sein müssen. In einer Welt, die oft auf Schnelligkeit und Oberflächen fixiert ist, strahlt diese Kollektion eine Ruhe aus, die im Gedächtnis bleibt. Weitere Informationen unter https://jeljeli.com/ Fotos © Mehdi Ben Temessek