Foto: Dirk Bader

„Ich liebe Kino“

Diana Iljine, Festivalleiterin Filmfest München im Gespräch mit VIVA MONACO

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Wie relevant sind Award-Verleihungen und Filmfeste in der Branche heute noch?
Filmfeste unterstützen die Filmschaffenden nicht zuletzt in Hinblick auf eine größere Sichtbarkeit. Und durch die Awards erfahren sie zudem ein Feedback und eine besondere Wertschätzung. Als eine vermittelnde Plattform zwischen Publikum und Branche sind Filmfeste und ihre Awards nach wie vor also sehr relevant. Für die Filmschaffenden selbst ist es enorm wichtig, internationale Kolleginnen und Kollegen auf dem Festival zu treffen. Es schweißt zusammen, wenn man auf demselben Festival seine Filme zeigt. Da bilden sich häufig lebenslange Freund- und Arbeitsgemeinschaften.

Seit 2011 leiten Sie das Filmfest München. Wie wird man eigentlich Festivalleiterin?
Mein ganzes Leben dreht sich seit meiner Jugend um Film. Ich gehe liebend gerne ins Kino, habe ein Buch über Filmproduktion geschrieben. Dieses ist erfreulicherweise zu einem Standardwerk avanciert. Viele Jahre lang war ich Filmeinkäuferin bei verschiedenen TV-Sendern, später Beraterin für Filmproduktionen und Evaluierung von Filmpaketen. Leiterin des FILMFEST MÜNCHEN zu sein ist die Krönung meines beruflichen Lebens und führt alle meine Leidenschaften und Kompetenzen zusammen.

Was heißt es, ein Festival zu leiten?
Es bedeutet Kreativität und Künstler:innen zu unterstützen: als kreative Managerin leite ich ein großes Team und matche die unterschiedlichen Interessen von Kulturschaffenden, Gesellschaftern und Sponsoren. Es bedeutet auch, Contenance zu bewahren, wenn im Bereich Kultur Budgets gekürzt anstatt erhöht werden.

Welche Rolle spielen Sponsoren?
Sponsoren ermöglichen Projekte umzusetzen, die mit dem Basis-Etat allein nicht möglich wären. Inzwischen geben Sponsoren durchaus nicht mehr nur Geld, sondern sind Partner. Sie entwickeln oftmals mit dem Team eine sogenannte Content-Partnerschaft, um sich mit Kultur stärker und sinnvoll zu assoziieren. Wir achten darauf, insbesondere mit kulturverständigen Partnern zu arbeiten, die wissen, dass Kultur nicht 1:1 wie Wirtschaft funktioniert.

Nach dem Filmfest ist vor dem Filmfest: Wann beginnen Sie mit der Organisation und woher bekommen Sie Ihre Infos?
Die Organisation eines großen Filmfests wie dem in München läuft ganzjährig. Ich leite zwei Festivals: Das FILMFEST MÜNCHEN im Sommer und das FILMSCHOOLFEST MUNICH im Herbst. Das Team des Filmfests sichtet bis zu 2000 Filme im Jahr und bringt die besten Filme im Sommer nach München. Darüber hinaus heißt es natürlich, interessante Rahmenprogramme und -bedingungen zu schaffen. Daher beobachten wir stets Tendenzen in allen Bereichen, prüfen und wägen ab, was wir umsetzen können, auch in Hinblick auf organisatorische Belange. Ein Filmfest ist ein Großevent mit bis zu 200 Premieren mit Gästen und Kooperationen mit anderen kulturellen Institutionen.

Es gibt so viele Produktionen, wie verschaffen Sie sich einen Überblick?
Die meisten in unserem Team sind echte Filmfreaks. Das ist ganz großartig und unabdingbar, denn man muss sich auch in den historischen Entwicklungen der Filmindustrie auskennen. Und gleichsam heißt es, aktuell den Kontakt mit den einzelnen Playern aus verschiedenen Ländern zu pflegen und sich somit auf dem Laufenden zu halten. Dabei helfen uns natürlich auch die Fachpresse und Besuche auf anderen Festivals.

Nach welchen Kriterien treffen Sie Ihre Auswahl?
Es reicht nicht, dass ein Film, ein TV-Movie, eine Serie ein interessantes Thema oder eine spektakuläre Geschichte hat. Neue formale, künstlerische, dramaturgische und ästhetische Aspekte spielen eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus muss es eine deutsche Premiere sein, d.h. der Film darf noch nicht in Deutschland gezeigt worden sein. Oft zeigen wir sogar Weltpremieren.

Ein großer Teil ihres Berufs ist es, Filme anzusehen, zu bewerten und up to date zu sein. Schauen Sie trotzdem noch Filme zur Entspannung auf der Couch?
Ich liebe Kino. Deshalb versuche ich, möglichst oft ins Kino zu gehen. Die neue Medienwelt bietet ja aber auch die Möglichkeit, Werke online zu sichten – und ja, das tue ich dann auch auf der Couch und genieße vor allem Serien, die nicht ins Kino kommen.  

In der Filmbranche läuft vieles über Kontakte. Wie sieht Ihr Netzwerk aus?
Mein Netzwerk hat sich über viele Jahre meines beruflichen Lebens herausgebildet und erstreckt sich über alle Medienbereiche. Es ist essenziell, sich über aktuelle Entwicklungen auszutauschen. Auch das ist ein großes Anliegen des Filmfests: ein Ort zu sein, wo eben dieses Netzwerken möglich ist und gefördert wird.

Durch Streaming Dienste hat sich die Filmindustrie verändert. Hat Kino eigentlich noch Relevanz? Was ist Ihre Prognose für die Entwicklung der Branche?
Das Kino wurde schon oft totgesagt – und lebt immer noch! Auch wenn die Zeiten durch neue Player und die Veränderung der Auswertungsstufen von Filmen für Kinos schwieriger geworden sind. Interessant ist diese Veränderung natürlich trotzdem: Sie fördert neue Formen im Storytelling, spricht andere Zielgruppen an und vor allem erreichen Streamingdienste und Fernsehen ein großes Publikum. Nun kann man auch seltene Arthousefilme und Dokumentationen sehen, die den Weg ins Kino nicht geschafft hätten. Übrigens haben wir schon vor dem Serienhype Serien bei uns ins Programm genommen und somit auf die große Leinwand geholt, das widerspricht sich nicht. Ich werde immer ans Kino glauben. Denn wo kann man gute Filme besser sehen als im Dunkeln auf einer großen Leinwand? Ich will und ich muss auch weiter an das Kino glauben, sonst wäre ich falsch in meinem Job.

Wie bekommt man heute noch Kinosäle voll?
Das FILMFEST MÜNCHEN war dieses Jahr wieder sehr erfolgreich, obgleich natürlich noch eine gewisse Corona-Skepsis merklich war. Bei Filmfesten wird den Zuschauern eine besondere Auswahl an Filmen geboten. Und natürlich sind bei den meisten Veranstaltungen die Filmschaffenden selbst vor Ort! Das ist oft magisch, die Künstler:innen persönlich zu erleben. Diese Mischung aus dem Blick hinter die Kulissen, Information, Austausch und Begegnung ist ein gutes Rezept. Natürlich gehört auch dazu, auf sich aufmerksam zu machen – durch Vermittlung unseres Enthusiasmus bei Live-Treffen und durch alle möglichen Kommunikationskanäle.

Gehen Sie selbst oft ins Kino? Ja. So oft ich kann.
Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Mega-Trend, sondern essenziell heutzutage. Wie wirkt sich ökologisches Denken auf die Filmbranche aus?
Alle großen Themen unserer Zeit wie Nachhaltigkeit, Diversität, Globalisierung und auch Politik spielen eine Rolle und werden berücksichtigt. Die Filmbranche bemüht sich sehr ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern. Auch wir beim Filmfest denken nicht nur über die Reduzierung von Papier und Plastik nach, sondern gehen diese Themen ernsthaft und verantwortlich an.

Welche Rolle spielt das Theater heute noch?
Theater begeistert seit je her in 3D und zwar mit maximaler Auflösung und Surround-Ton. Wie im Film und in weiteren Künsten, wirft das Theater ein Licht auf die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, prangert Missstände an und hält den Leuten den Spiegel vor. Theater ist besonders wahrhaftig, das mag ich daran und das bleibt essenziell.

In Amerika werden Stars zelebriert. In Deutschland findet dieser Hype um berühmte Personen auf sehr viel subtilere Weise statt. Woran glauben Sie, liegt dieser Unterschied im Umgang mit Berühmtheiten zwischen den Kulturen?
Deutschland hat tatsächlich ein Problem mit Stars. Erfolgreichen Menschen wird oftmals misstraut und Kommerz unterstellt. In Amerika ist das ein anderer und selbstverständlicherer Umgang mit Erfolg und Geld. In Deutschland gehört es – auch aufgrund unserer Geschichte – zum guten Ton kritisch zu sein. Begeisterung ist nahezu verdächtig. Daher gehen wir eher verhalten mit der Anerkennung und dem Zelebrieren unserer Stars um.

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