Foto: Dirk Bader

Die mit dem siebten Sinn

Schauspielerin Sibel Kekilli im Gespräch mit VIVA MONACO

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Frau Kekilli, Sie waren Jury-Präsidentin beim Filmfest. Wie fühlt es sich an, die künstlerische Arbeit von Kollegen zu bewerten?
Ich habe mich sehr gefreut mit zwei tollen Kollegen wirklich spannende Filme zu sehen. Es ist einfach immer wieder aufs Neue toll, sich von Filmen berühren und auch inspirieren zu lassen. Das Bewerten fällt dann nicht immer leicht, aber wir waren im Jury-Team diesbezüglich auch sehr einig.

Der Star in den USA ist ein Allrounder: Fechten, Singen, Tanzen, Moderieren…in Deutschland gilt eher: Schuster, bleib bei deinen Leisten. Haben Sie künstlerische Ambitionen über die Schauspielerei hinaus? Wenn ja, welche?
Wie Sie richtig bemerken: In Amerika gibt es Stars, hierzulande gibt es sie nicht. Was mir an Amerika gefällt, ist, dass sie einen nicht auf ein einziges Talent und Genre festlegen. Wenn jedoch jemand bei uns etwa Schauspielern und Singen kann, macht er / sie sich eigentlich direkt verdächtig und wird dann nicht weder für das eine, noch das andere als vollwertiger Künstler gesehen. Aber Ich für mich liebe das Schauspiel, und möchte gerne künftig auch Regie führen. Dazu liebe ich das Schreiben, das Spiel mit der Sprache.

Welche Rolle spielt Mode für Sie, behalten Sie manchmal Kostüme?
Ich liebe Mode und auch den spielerischen Umgang mit ihr. Seinen eigenen Stil zu finden, ohne sich verkleidet zu fühlen, unterstreicht dann die eigene Persönlichkeit. Mode macht mir sehr viel Spaß, gerade weil sie viel bewirken kann. Ich sehe es Menschen an, ob sie lieblos gekleidet oder detailverliebt sind, sie eher ihre Individualität betonen oder sich eher anpassen wollen. Tatsächlich wollte ich ich früher unbedingt immer ein paar Kostüme meiner Filmfigur mitnehmen. Heute ist mir das nicht mehr so wichtig. Außer vielleicht ein kleines Erinnerungsstück, wie etwa eine Kette von meiner Rolle Shae in Game of Thrones.

Sie haben einmal gesagt:„Je verbissener man ist, desto weniger erreicht man seine Ziele.“ Ist Karriere planbar?
Ja und nein. Oftmals ist es das richtige Timing, das den Weg zum Erfolg führt. Man kann planen wie man will, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist, wird es immer sehr schwer werden mit dem Erfolg. Vielleicht ist daher eine gewisse „Verbissenheit“ bzw. eine Klarheit für das eigene Ziel wichtig, jedoch sollte man trotzdem flexibel bleiben. Auch die richtigen Leute um sich zu haben ist sehr förderlich, weil man häufig nur im Team die großen Ziele erreichen kann. Generell glaube ich jedoch, dass zu viel Verbissenheit einen eher blockiert.

Wie übernehmen Sie als Person der Öffentlichkeit und Vorbild Verantwortung?
Ich bin mir bewusst, dass ich als öffentlicher Mensch oft unter Beobachtung stehe und pausenlos bewertet werde. Das ist eine Einschränkung. Aber ich achte darauf, dass ich stets höflich und freundlich bin und das Rückgrat und die Haltung auch dann bewahre, wenn es vielleicht einmal enger wird. Ich engagiere mich vor allem sozial, weil ich finde, dass es wichtig ist, seine öffentliche Stimme für andere Menschen, die gern übersehen werden zu nutzen.

Setzen Sie sich für Frauenrechte ein? Wenn ja, wie?
Ich engagiere mich seit mehr als 17 Jahren für Frauenrechte, vor allem setze ich mich gegen Gewalt an Frauen ein. Das reicht von privaten Besuchen in einem Frauenhaus in der Türkei bis hin zu meinem Engagement bei Terre des Femmes. Zudem unterstütze ich mehrere Projekte und Organisationen, die mir sehr wichtig sind. Florika etwa, ein Projekt für Romamädchen in Bulgarien, welches das Ziel hat, dass Mädchen nicht früh heiraten und Kinder bekommen, sondern erst einmal einen ordentlichen Schulabschluss machen können. Oder Papatya, deren anonyme Beraterseite „Sibel“ nach meiner Figur in Gegen die Wand benannt wurde und deren Schirmherrin ich bin. 2019 habe ich gemeinsam mit unserem ehemaligen Außenminister Heiko Maas das Frauennetzwerk UNIDAS gründen dürfen. Ein Netzwerk zwischen Deutschland, Lateinamerika und der Karibik. Nach der Gründung bin ich auf eigene Initiative hin zurück nach Salvador de Bahía gereist und habe dort ein Kulturhaus Casa Respeita as Minas für Frauen aufgebaut.

Wie alt wollen Sie werden?
Eigentlich wollte ich immer jung sterben, aber ich glaube, diese Grenze habe ich jetzt schon überschritten (lacht).

Was ermüdet Sie?
Oh, da gibt es einiges. Weil ich Dinge um mich herum gerne ganz genau erfassen möchte, bin ich und meine Sensibilität es oftmals selbst, die mich ermüdet. Aber auch Menschen, die nicht richtig zuhören, laut, viel und, noch schlimmer, ausschliesslich von sich selbst reden. Und ein Blick auf das Weltgeschehen gerade tut sein Übriges.

Wie viele Freunde haben Sie zur Zeit?
Ich habe einige Freunde, aber solche, auf die ich mich zu 1000 Prozent verlassen kann, die kann ich an einer Hand abzählen. Doch das war schon immer so und wenn ich ehrlich bin, mehr brauche ich auch nicht.

Was fehlt Ihnen zum Glück?
Vielleicht ein bisschen mehr Gelassenheit, Geduld und Vertrauen.

Sie bezeichnen sich selbst als abergläubisch. Wie sieht das praktisch aus?
Habe ich das? Also, als abergläubisch würde ich mich nicht bezeichnen. Aber ich finde, dass man etwa durch negatives Denken noch viel mehr Schlechtes anziehen kann. Andersherum gilt das natürlich auch für Positives. Und ich glaube an den „bösen Blick“ bei manchen Menschen. Vielleicht habe ich deshalb auch zu Hause ein kleines Nazar Amulett.

Haben Sie den siebten Sinn?
Ja, den habe ich tatsächlich.

Wie entspannen Sie, wenn Sie frei haben?
Wenn ich frei habe, gehe ich zum Sport. Ich liebe Schwimmen oder Pilates. Ich versuche viel zu lesen und mache auch gerne einmal nichts. Dann gucke ich alte Folgen von Columbo, Cagney und Lacey oder Streets of San Francisco und erfreue mich an sensationellen Schauspielern. Und ich liebe es Zeit mit meiner Freundin in Baden Württemberg in ihrem Haus zu verbringen.

Interview: Bernard Werkmeister

Mitarbeit: Oliver Schweden

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