
Endlich das tun, wofür während des hektischen Berufsalltags keine Zeit bleibt: einen Malkurs besuchen oder ferne Länder bereisen – so stellen sich die meisten Leute ihre wohlverdiente Rentenzeit vor. Die Realität im reichen Deutschland ist jedoch oft eine andere. Mehr als 50 % aller Pensionäre erhalten hierzulande weniger als 900 € im Monat zum Leben, ganze 4,7 Millionen ältere Mitbürger müssen mit einer Rente auskommen, die kaum über dem Existenzminimum liegt – entwürdigende Lebensumstände für so viele Menschen, die ein Leben lang in Deutschland erwerbstätig waren. Altersarmut bedeutet Verzweiflung, Einsamkeit und Scham. Das deutsche Rentensystem ist ein Synonym für politisches Versagen auf ganzer Linie. Das mag dramatisch klingen – und das ist es auch.
Das Jahr 2002: Agenturchefin Lydia Staltner begegnet immer wieder einer alten Frau, die gebückt am Rollator geht und einen gelben, zerschlissenen Wintermantel trägt – das ganze Jahr über. „Das hat mich zutiefst berührt. Ich fragte mich, ob es noch mehr alten Menschen so geht und wollte etwas tun.“ Die engagierte Münchnerin hängt kurzerhand ihre Karriere an den Nagel und gründet im Jahr 2003 die Stiftung „Lichtblick Seniorenhilfe e.V.“ Schnell merkt sie, dass die Entscheidung goldrichtig war, denn täglich trudeln mehr und mehr Hilfsanfragen bei ihr ein. Zahlreiche bedürftige Senioren wenden sich an die Stiftung. „Verschämte Rentner kamen, die sagten: „Ich möchte eigentlich nirgendwo hingehen, aber ich bräuchte einfach dringend ein Paar Schuhe”, so Staltner.

Das Team für die Region Münster: v.l. Andrea Moraldo, Nadine Wittkamp, Denise Schürmann
© LichtBlick Seniorenhilfe e.V. Tatjana Jentsch
Heute bieten die mittlerweile drei Büros in München, Deggendorf und Münster nicht nur schnelle, unbürokratische Hilfe an, sondern veranstalten auch regelmäßig Tagesausflüge und einen wöchentlichen Mittagstisch. Hier können sich die Betroffenen austauschen und Freundschaften knüpfen. Das ist wahnsinnig wichtig, denn wenn das Geld für gemeinschaftliche Aktivitäten fehlt, ist den Senioren eines garantiert – die Einsamkeit. Vornehmlich leistet die Stiftung aber finanzielle Unterstützung für aktuell rund 27.000 Bedürftige, egal ob die Matratze durchgelegen ist oder der Kühlschrank leer. Außerdem können Spender für 35 Euro im Monat Patenschaften für die Rentner übernehmen. Das Geld wird direkt an die Betroffenen überwiesen, damit diese sich kleine Wünsche des Alltags erfüllen können. Ermöglicht wird all das durch treue Unterstützer und mittlerweile 16 ehrenamtliche und angestellte Mitarbeiter. Heute ist die Stiftung seit über 20 Jahren aktiv, Lydia Staltner hat viel bewegt. Für ihr Engagement bekam sie das Bundesverdienstkreuz verliehen, außerdem die bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste – eine große Auszeichnung für das Lebenswerk der Lichtblick-Gründerin. Dennoch gibt es von außen betrachtet einen bitteren Beigeschmack: Es liegt schließlich in der Verantwortung des Staates, das Problem endlich ernsthaft anzugehen. Altersarmut beruht nicht auf persönlichem Versagen oder Zufall, sondern hat strukturelle Ursachen. Es braucht mehr Öffentlichkeit, Diskussionen ohne parteipolitische Scheuklappen und vor allem schnelle, konsequente Lösungen. Es geht darum, auf bundespolitischer Ebene Verantwortung zu übernehmen für die Menschen, die unser Land nach dem Krieg wieder aufgebaut haben und die jetzt in Armut leben. Und es müssen Lösungen gefunden werden, damit alte Menschen, hinter denen keine stützende Lobby steht, in Würde leben können.
Bis dahin machen Stiftungen wie „Lichtblick Seniorenhilfe e.V.“ weiter und kehren so gut es geht die Scherben auf: „Ich habe zwar keinen eigenen Nachwuchs, aber die über 27.000 Senioren sind wie meine Kinder – an ihnen hängt mein Herz“, sagt Lydia Staltner.
Spendenkonto Lichtblick Seniorenhilfe e.V
IBAN: DE20 7015 0000 0000 3005 09
BIC: SSKMDEMM
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→ seniorenhilfe-lichtblick.de
Text: Alica Marr, Fotos: © LichtBlick Seniorenhilfe e.V. Tatjana Jentsch